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InhaltJoachim Gauck. Der Präsident im Zeitalter des Fetischismus
Joachim Gauck
Nun hat Joachim Gauck von seiner zukünftigen Präsidentschaft gesagt, er möchte dazu beitragen, dass die Menschen wieder ihren Staat lieben. Es war kein Bild-Reporter wie einst bei dem Präsidenten Heinemann, der nach der Liebe zum Staat fragte, sondern Gauck hat von sich aus diese Äußerung (im Fernsehen) gemacht.
Die Frage, ob man überhaupt den Staat lieben könne, ist allerdings durchaus legitim zu stellen. Nach dem Aufklärer Kant ist der Staat eine „Maschine“ (in: „Was ist Aufklärung?“), also ein Beamtenapparat, ein Instrument der Politiker, um ihre Zwecke durchzusetzen. Und diese Politiker sind in der Marktwirtschaft selbst Getriebene, also selbst Instrumente, sie müssen machen, was das anonyme Kapital will: Gute Bedingungen für Wachstum generieren, die eigene „Volks“-wirtschaft im Konkurrenzkampf der Nationen fit halten usw., was nichts mit ihren individuellen Interessen zu tun hat. (Deshalb musste Wulff gehen, er hat seine privaten Interessen mit den allgemeinen Interessen der Wirtschaft konfundiert und so seine und die Sonderinteressen einer Kapitalfraktion bedient, also die Konkurrenzgleichheit gefährdet, zumindest wenn die Vorwürfe der Korruption stimmen.) Schließlich sei der Staat das Parlament, die Regierung, die Hinterzimmer, die Lobbyisten – aber in diesen Institutionen kommt doch immer nur das heraus, was dem höchsten Zweck des Staates dient: das Wachstum. Parlamente sind in der marktkonformen Demokratie auch nur Instrumente des modernen Gottes. Wenn nun der zukünftige Präsident Gauck sagt, er will dafür sorgen, dass die Menschen wieder so wie er den Staat lieben, dann fordert er, man solle eine Maschine, also ein totes Ding, lieben – das aber ist genau das, was den Begriff des Fetischismus ausmacht. Es hat die gleiche Qualität, wie wenn ein Jungmanager liebevoll über seinen ersten Sportwagen streichelt oder jemand sein Auto gut zuredet, damit es anspringt (was jeder als idiotisch erkennt). Mit solchem Fetischismus, man solle die Maschine Staat lieben, die einst Vaterland hieß, hat man zweimal im 20. Jahrhundert Millionen junger Menschen – leichtgläubig, wie sie waren – in den Tod der Weltkriege getrieben. Gauck ist also kein Sokrates, sondern ein Gorgias, der seine Hörer Glauben einreden, aber nicht von einer Wahrheit überzeugen will. Damit er von den Politikern als Präsident inszeniert werden kann, muss er aber noch andere Qualitäten haben, und die hat er: Nach der HAZ (vom 20.02.12, S. 3) strahlt er „Charisma“ aus, kann druckreife Sätze sprechen, fühlt sich zu „Höherem“ berufen, spricht mit sonorer Stimme, die Medien rufen Gauck als Präsident der Herzen aus. Und vor allem: Er ist konservativ, Kapitalismuskritiker sind ihm „unsäglich albern“, die demonstrierenden Globalisierungsgegner bezichtigte er, „romantische Vorstellungen“ zu haben. Sarrazin mit seinen rassistischen Thesen attestierte er Mut, weil er offen gesprochen habe. Was er sonst noch von sich gibt, ist die vorherrschende Meinung, die immer die Meinung der Herrschenden ist: Ungleichheit ist notwendig, Hartz IV war notwendig, „noch bewegt sich die Politik in den Bahnen paternalistischen Verteilens“ (Welt-Online, v. 7. 6. 2010), d. h., wer als Arbeitskraft überflüssig ist und aussortiert wird, soll verhungern. Sein Thema, das ihn als Präsident prädestiniert, ist die demokratische Kultur in Deutschland, er bezeichnet sich selbst als „eitel“, „als reisender Demokratielehrer“. Ob solcher Abstraktion von allen konkreten Inhalten kann ihm die Demokratie nur als Fetisch unterkommen. Das entspricht seinem Beruf als Theologe, eine Spezies, die uns, entgegen aller Erkenntnis, immer noch einreden will, nach dem Heldentod oder der pünktlichen Pflichterfüllung für die Maschine Staat oder den Moloch Wirtschaft kämen wir im Jenseits ins ewige Leben. Allerdings verbietet selbst der christliche Gott, da er als Geist stilisiert ist, einen Fetisch, ein totes Ding, also einen Götzen zu lieben.
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