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Das staatliche Strafen (1) Teil I
In regelmäßigen Abständen ist hierzulande Kriminalität ein Thema – ebenso regelmäßig wird 1. Zum Unterschied zwischen Rechtsgüterschutz und dem Schutz von materiellen Interessen Die Existenz oder ein wahrgenommener Anstieg von Kriminalität lösen bei vielen Menschen Ängste aus. Strafen begrenzen Kriminalität. Dies und der Umstand, dass Verbrechen oft Schäden für die Betroffenen beinhalten, legt ein weit verbreitetes Missverständnis nahe: Handlungen seien deshalb unter Strafe gestellt, weil durch sie Menschen in ihrer Gesundheit geschädigt oder der Mittel ihres Unterhalts beraubt würden. Die damit mitunter verbundene Unterstellung, es ginge dem Staat mit seinem Strafrecht entscheidend um die Gesundheit oder die Mittel des Einzelnen zum Leben, ist aber falsch.
Hieran zeigt sich: Mit dem Strafrecht wird an das Handeln der Privatsubjekte ein Maßstab angelegt, für den es nicht entscheidend ist, dass es durch eine Tat zu einer Schädigung kommt. (Weder kommt es bei jeder „kriminellen“ Tat zu einem Schaden, noch ist jede Schädigung verboten.) Es gibt noch einen gravierenden Unterschied zwischen Rechtsgüterschutz (4) und dem Schutz vor Schädigung: Wenn Verbrechen bestraft werden, reagiert der (Rechts-)Staat als Betroffener. Wo er auf eine Schädigung durch Verbrechen mit seinem Strafrecht reagiert, interessiert diese den Staat von vornherein nur unter einem ganz bestimmten Gesichtspunkt, nämlich als Verletzung von Rechtsgütern. Für den Staat ist mit dem Autodiebstahl nicht die Sache weg, auf die man angewiesen ist, um zur Arbeit zu kommen. Für den Staat ist mit dem Autodiebstahl etwas ganz anderes geschädigt: Das von ihm etablierte Rechtsgut namens Eigentum. Das Eigentum und mein Auto sind verschiedene Sachen. Der Unterschied macht sich für mich als Geschädigten darin bemerkbar, dass die Reaktion auf die Verletzung eines Rechtsgutes mittels des Strafrechts einen anderen Zweck verfolgt als den Schadensausgleich. Dem Zwecke der Strafe bezogen auf die Straftat ist dann genüge getan, wenn der Täter die verdiente Strafe erhalten hat. 2. Warum Rechtsbruch und bürgerliche Ordnung zusammen gehören Eigentum: Eine wesentliche Grundlage für Massenkriminalität (5) Auch wenn sie selbst ihren Mangel nicht so sehen mögen: Durch das Privateigentum sind die meisten Menschen von vielen Dingen erst mal ausgeschlossen, die sie für ihre Bedürfnisbefriedigung benötigen würden.
Diese Beispiele für „Kriminalität“ sind u.a. ein Hinweis darauf, dass auch das Leben in kapitalistisch vergleichsweise erfolgreichen Staaten wie der BRD zumindest für die meisten abhängig Beschäftigten kein Leben ist, in dem es wesentlich um ihre Bedürfnisse ginge. Keine Kriminalität ohne Recht ======= (1) Es handelt sich bei diesem Text um eine leicht überarbeitete und erheblich gekürzte Version des Textes der unter gleichem Namen unter http://www.junge-linke.org/de/staatliches-strafen zu finden ist.
(2) Auch manche Linksradikale finden Strafen gut, wenn diese Strafen sich gegen die „Richtigen“ wenden, z.B. Nazis oder Steuerhinterzieher.
(3) Im folgenden geht es um das staatliche Strafen in Gesellschaften mit kapitalistischer Wirtschaftsweise und einem demokratischen Rechtsstaat. Es geht in diesem Text also nicht um die Frage, wie man in einer befreiten Gesellschaft mit Menschen umgeht, die anderen Menschen Gewalt antun. Um Missverständnisse zu vermeiden: Wir schließen nicht aus, dass es in einer befreiten Gesellschaft Übergriffe auf Leib und Leben anderer Menschen geben wird. Zum Schutz vor einzelnen mag auch dann hin und wieder irgendeine Form von Zwang nötig sein – ansonsten wäre man jeglicher Gewalt einfach ausgesetzt. Allerdings sehen wir einen Unterschied zwischen zeitweiligem Zwang oder dauernder Notwendigkeit eines staatlichen Strafwesens.
(4) Rechtsgut zu sein bedeutet, dass etwas eine besondere ideelle Qualität hat, z.B. hat ein Auto außer seinem konkreten Nutzen als Transportmittel noch die Qualität Eigentum zu sein. Die Qualität Rechtsgut zu sein beinhaltet die Selbstverpflichtung des Staates, diese Güter zu schützen.
(5) Wir gehen im Folgenden vor allem auf „Delikte“ ein, in denen es in irgendeiner Weise um die illegale Erlangung materiellen Reichtums geht. Hierzu müssen auch viele „Delikte“ gezählt werden, in denen Gewalt angewandt wird, wie z.B. Erpressung oder Raub, die aber in der Öffentlichkeit nicht als „Eigentumsdelikt“ eingeordnet und besprochen werden. Zwar haben nicht alle Formen von Kriminalität ihren Existenzgrund in der Abhängigkeit von Eigentum und Lohnarbeit. Allerdings hat der größte Teil der Kriminalität den materiellen Mangel, der mit der Abhängigkeit von Lohnarbeit verbunden ist, zur Voraussetzung. In dieser Massenkriminalität, und nicht in den Gewalttaten, die in der Öffentlichkeit den größten Platz einnehmen (Vergewaltigungen, Amokläufe, Gewalttaten von „psychisch Kranken“), ist die Notwendigkeit eines Strafsystems in bürgerlichen Gesellschaften begründet.
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